Peter Hettlich, Grüner Aufbau Ost

Schildbürgerstreich: eine Lärmschutzwand für einen Parkplatz

KURIOSES
04.07.2007
 
Autofreie Gartensiedlung Weißenburg in Münster - Neues aus Schilda
 
Die Wohnungsgesellschaft Münsterland errichtet ab 24. KW eine ?Lärmschutzwand? um den Besucherparkplatz der autofreien Siedlung, der neben fünf Stadtteilautos eine Belegung von maximal 20-30 Fahrzeugen aufweist. Der Parkplatz ist bislang ein unstrukturierter Schottergrund, ärgerlich als augenfällige Visitenkarte der Siedlung und stets zur Hälfte frequentiert von den angrenzenden Johannitern, nur eines nicht: laut. Ausgeführt wird die Wand als zwei Meter hohe Klinkermauer entlang den Nachbargrundstücken, die bereits mit hohen Abtrennungen versehen sind, zur Hälfte mit zwei Meter hohen voll begrünten Holzpaneelen, zur anderen Hälfte mit einer wuchtigen Ligusterhecke von drei Metern Höhe und ca. 120 cm Tiefe. Vier Bäume von 5-6 Meter Höhe werden fallen ? es sind die einzigen im Eingangsbereich und gehören dem Hecken-Nachbarn, aber er will es so.
 
Der Bebauungsplan 428 von 1999 sieht diese Mauer zwingend vor, ebenso eine beidseitige Begrünung parallel zur Nachbar-Begrünung. Kein Mensch hat mehr an diese Mauer gedacht, und selbst Befürworter der Siedlung wie der grüne Ex-Ratsherr Wiemers und der jetzige SPD-MdB Strässer können sich daran nicht erinnern. Sie ist ein roter Strich auf dem Plan, der damals vielleicht zu viel Vorstellungsvermögen erforderte. Beharrlicher Druck des Nachbarn hat die WGM genötigt, nun in fünf Wochen Bauzeit sehr viel Geld auszugeben für einen Schildbürgerstreich mit einem Hauch Guantanamo.
 
Die Mauer wird auch zwischen dem noch zu erstellenden Block am Eingang und dem Besucherparkplatz gezogen. Man schützt die autofreien Mieter also vor der Lärmemission der 14 Fahrzeuge mit Ausnahmegenehmigung und den etwa 10 Besucherfahrzeugen mit zwei Meter Klinkermauer. Somit ist dann die Siedlung komplett eingezäunt, und da nimmt man eine so massive Maßnahme genauer:

  • im Süden entlang der Metzer Straße drei Meter hoch, teils mit Stacheldraht obendrauf,
  • im Westen dreieinhalb Meter hoch mit grünen Stahlgittern auf WGM-eigenen Garagen,
  • im Norden mit zwei Meter hohen grünen Stahlgittern entlang einem lauschigen Gartenweg des Hagenauer Wegs
  • im Osten mit der zwei Meter hohen Mauer und den grünen Stahlgitterzäunen der Johanniter.

 
Die Vorgaben des Bebauungsplans beruhen auf einem Lärmschutzgutachten, das 980 Fahrzeugbewegungen pro Tag prognostiziert und mit 52 db gerade zwei Punkte mehr, als im reinen Wohngebiet erlaubt ist. Im Mischgebiet (sind die Johanniter Wohnbebauung?) wäre die Mauer bereits hinfällig, und die Zahlen bilden die Wirklichkeit objektiv nicht ab, auch inklusive des Tiefgaragenverkehrs, den irgendein Kuckuck dem Siedlungskonzept verpasst hat.
 
Aufgrund der Diskrepanz zwischen den Zahlen im Lärmgutachten und den real viel niedrigeren Werten könnte ein im Immissionschutz beschlagener Rechtsanwalt eine Eilentscheidung beim Verwaltungsgericht herbeiführen. Helfen würde alles, was dazu führt, dass die betroffenen Anrainer des Parkplatzes im Einvernehmen mit der WGM und den Mietern der Siedlung eine Lösung finden, die mit dem Bebauungsplan kompatibel ist. Helfen würde es, wenn ins Bewusstsein rückt, dass bereits eine zwei Meter hohe Einfriedung mit schöner Begrünung vorhanden ist, um die man keine Mauer braucht, die dann erneut begrünt wird. Und dass die vorhandenen Einzäunungen bereits heute diskriminierend sind.
 
Die 24. Kalenderwoche beginnt am 11. Juni. Die Stadt Münster sollte ihr Vorzeigeprojekt in Sachen ökologischer Raum- und Verkehrsplanung nicht durch eine solche Maßnahme beschädigen. Außerdem lachen dann alle über uns, nicht nur über die eingesperrten Autofreien, auch über engstirnige Zaunkönige.
 
Kontakt: Evelyn Krien, ekrien@t-online.de, Tel. 0251/2303461

 
 
Dazu folgender Brief von Evely Kriehn an das Büro Peter Hettlich:


Sehr geehrter Herr Herzog,

den folgenden Text habe ich an Münsteraner Stadtpolitiker und Leute aus dem Umfeld des Themas ?Autofreies Wohnen? weitergegeben.  An das Stadtplanungsamt Münster habe ich dann den angehängten Widerspruch gerichtet.

 
Die Kardinalfehler, die zu dieser überzogenen und beispiellosen Lärmschutzmaßnahme führten, sind folgende:

Der Verkehr zu einer benachbarten Tiefgarage (Johanniter-Unfallhilfe) wurde über den Zuweg zur autofreien Siedlung geführt, obwohl eine andere Variante offen stand. Warum bei diesem geförderten NRW-Pilotprojekt zum autofreien Wohnen das nicht als Widerspruch erkannt wurde, bleibt offen.

Die Fahrzeugbewegungen zur Tiefgarage wurden doppelt gezählt (Ein- und Ausfahrt), obwohl nur die Zufahrt über den Freiburger Weg verläuft.
Zitat aus der Begründung zum Immissionsschutz: ?Das Schallschutzgutachten beinhaltet für die für die  Wohnbebauung ? ungünstigste Annahme der TG-Zu- und Abfahrt im Norden und legt darüber hinaus einen hoch angesetzten dreimaligen Wechsel (6 Fahrzeugbewegungen in 24 Stunden) je Stellplatz in der Tiefgarage zu Grunde. Bei den ebenerdigen Stellplätzen wurde mit 2 Wechseln (4 Fahrzeugbewegungen in 24 Stunden) je Stellplatz ebenfalls ein hoher Wert i. S. des Schutzanspruches der angrenzenden Wohnbebauung gewählt.? Die reale Gestaltung der Tiefgarage mit rückwärtiger Ausfahrt wurde im Mai 1999 beschlossen, das Gutachten stammt aber von 1998.

Entgegen der Einstufung der umliegenden Wohnbebauung als Allgemeines Wohngebiet bzw. Mischgebiet wurde das gesamte Terrain der autofreien Siedlung inklusive des Besucherparkplatzes zum Reinen Wohngebiet erklärt. Selbst bei der schlechtesten Maximalprognose liegt die Ãœberschreitung bei 2db und eine Einstufung als Allgemeines Wohngebiet erforderte keinerlei Lärmschutzmaßnahme. 

Auch so läßt sich der Vorteil des ruhigen Wohnens gegen ein Siedlungskonzept wenden, das angetan ist, Verkehr und Emissionen zu vermeiden... Da die Weißenburgsiedlung eine autofreie Siedlung in Reinform ist (Verpflichtung zum Verzicht auf Autohaltung im Mietvertrag) wiegt eine so formalistische Auslegung von Umweltrecht zu Lasten der Siedlung umso stärker.

 

Vielen Dank für Ihre Hinweise und Gruß

Evelyn Krien